Ein Kind posiert vor der Kamera kurz vor seiner Kunsttherapie im Kinderspital Zürich
28.06.2021
PatientInnen

Marwins Herz und Bauch halten ihn nicht auf

Der 2-jährige Marwin kam mit einem Herzfehler zur Welt. Kurz danach musste die Hälfte seines Dünndarms entfernt werden, weshalb er bis heute künstlich ernährt wird. Doch kann er mittlerweile ein fast normales Leben führen – auch dank der Forschung am Kinderspital.

Die Eltern Ruth und Pirmin erhielten die Nachricht bereits in der Schwangerschaft: Bei ihrem dritten Sohn stimmt etwas nicht mit dem Herz. Das Paar war aber nicht ganz so überrascht, denn bereits ihr Ältester war mit einem Herzfehler geboren worden. «So wussten wir schon ein bisschen, was jetzt auf uns zukommen würde», erklärt die Mutter.

Nach der Geburt direkt ins Kinderspital

Sie musste Marwin am UniversitätsSpital Zürich gebären, im April 2018, obwohl die Familie eigentlich im Kanton Nidwalden wohnt. Kaum war ihr Jüngster auf der Welt, wurde er auch schon ans Kinderspital Zürich verlegt. Die Diagnose «Double Outlet Right Ventricle» klingt kompliziert und ist es auch: Bei Marwins Herz führen die Aorta und die Lungenarterie beide aus der rechten Herzkammer. Die Aorta müsste aber aus der linken Kammer führen. Zudem gab es Löcher in der Scheidewand, die die beiden Herzkammern trennt, und im Vorhof. Der Defekt hat zur Folge, dass das Herz stärker belastet wird. Damit kommt es auch zu einem Hochdruck in der Lunge.

Zum Herzfehler kamen Probleme mit dem Darm hinzu

«Die ersten zehn Tage am Kispi machte sich Marwin gut, die Kardiologen waren sehr zufrieden», erinnern sich seine Eltern. Aber dann hörte der Kleine plötzlich auf zu trinken, sein Bauch blähte sich auf. Die Ärztinnen und Ärzte stellten eine schwerwiegende Infektion im Darm fest, möglicherweise begünstigt durch den Herzfehler. Marwin musste notfallmässig operiert werden, mehr als die Hälfte seines Dünndarms wurde herausgeschnitten.

Der Schlaganfall bleibt hoffentlich ohne Folgen

Nur eine Woche später der nächste Schock: Marwin habe plötzlich so komische, abgehackte Bewegungen gemacht, sagt die Mutter. Es stellte sich heraus, dass er ein Blutgerinnsel im Gehirn hatte, welches zu einem Schlaganfall führte – eine weitere Komplikation des Herzfehlers. Es hiess, Marwin könnte deshalb vielleicht später Probleme mit dem Laufen haben. «Doch zum Glück hat sich das bis heute nicht bestätigt», ist Ruth erleichtert.

Dafür entwickelte ihr Sohn aufgrund seiner weiteren Darmoperationen das sogenannte Kurzdarmsyndrom. Das bedeutet, dass Marwin dauernd Durchfall hat und sein Darm nicht genügend Nährstoffe aufnehmen kann. Ihm wurde ein sogenannter Hickman-Katheter gelegt, eine konstante intravenöse Leitung, die neben dem Brustbein bis zu seinem Herz führt. Durch diese können die nötigen Nährstoffe zugeführt werden.

Ein Kind schiebt einen Wagen mit Kunstbedarf auf dem Gang des Kinderspitals Zürich

«Es war eine sehr happige Zeit»

Der Junge musste insgesamt siebeneinhalb Monate am Kinderspital verbringen. Erst nach zwei Monaten war für seine Eltern etwas möglich, was andere schon nach wenigen Tagen können: Sie durften das erste Mal kurz mit ihrem Baby ins Freie. Wie eine Königin habe sie sich gefühlt, erinnert sich Mutter Ruth lächelnd zurück.

Sie war in dieser Zeit immer an Marwins Seite. Vater Pirmin ist Bauer und führt einen Hof in Oberrickenbach im unteren Engelbergtal. Er versorgt dort Kühe und Schafe, für ihn war es schwieriger, regelmässig aus dem Berggebiet nach Zürich zu reisen. Das sei eine sehr happige Zeit gewesen, erzählt Ruth nachdenklich.

Marwin durfte Ende 2018 endlich nach Hause. Im Frühling darauf – kurz, nachdem er seinen ersten Geburtstag gefeiert hatte – musste er allerdings schon die nächste OP überstehen, nämlich die an seinem missgebildeten Herzen. Es wird nicht der letzte Eingriff bleiben, denn wenn Marwin wächst, muss auch die künstliche Herzklappe, die ihm eingesetzt wurde, wieder erneuert werden. «Wann das genau der Fall sein wird, ist noch unklar», erklären seine Eltern.

Marwin entwickelt sich trotz allem normal

Den Hickman-Katheter hat Marwin bis heute. Jeden Abend um 18 Uhr wird er «angehängt». Das heisst, dann erhält der jetzt 2-Jährige seine Flüssignahrung durch einen Schlauch. Dieser schränkt Marwin in seiner Bewegungsfreiheit stark ein. Die Eltern rennen ihm deshalb dauernd mit einem Rucksack hinterher, in dem sich der Beutel mit der Flüssignahrung befindet, damit der Knabe doch noch herumtollen kann. Ansonsten aber sei Marwin ein Kind wie viele andere, betonen Ruth und Pirmin. Lebhaft und fröhlich. Ans Kinderspital gehen sie immer einmal im Monat, um mit den Gastroenterologen seine Ernährung abzustimmen.

Patient mit Mutter bei Musiktherapie

«Marwin kommt gerne ans Kispi, weil es ihm danach immer besser geht»

Nicht selten aber müssen die Eltern ihren Jüngsten auch notfallmässig nach Zürich bringen, weil der Hickman-Katheter Probleme macht. Schon mehrmals kam es zu Infektionen oder Löchern im Katheter. Dann muss er jeweils unter Vollnarkose entfernt und wieder eingesetzt werden. Eine langwierige und unangenehme Prozedur. Ihr Sohn sei aber gerne am Kispi, weil er merke, dass es ihm danach besser gehe. «Er strahlt immer, wenn wir sagen, wir fahren wieder nach Zürich», so die Mutter.

Überhaupt fühlt sich Familie am Kinderspital gut aufgehoben und ist dem Personal sehr dankbar. Für sie ist es nicht selbstverständlich, dass es Marwin und auch seinem 8-jährigen Bruder heute gut geht. Sie wissen: Die Therapien, die die beiden Buben am Kinderspital erhalten haben, waren unter anderem dank der Forschung möglich.