Die bewegende Geschichte des Kinderspitals Zürich
Begeben Sie sich auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Kinderspitals Zürich, die mit der Gründung der Eleonorenstiftung startet, die noch heute das Spital betreibt. Erleben Sie die Verbundenheit und Solidarität der Bevölkerung, dank der sich das Kinderspital zu einem weltweit führenden Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin entwickelt hat.
1868: Trauriges Ereignis führt zur Gründung der Eleonorenstiftung
Die Kindersterblichkeit ist während des Industriezeitalters gegen Ende des 19. Jahrhunderts sehr hoch: Rund jedes vierte Arbeiterkind stirbt vor dem ersten Lebensjahr.
Die Misere sorgt in der Bevölkerung für Unmut. Auch Dr. Conrad Cramer muss zusehen, wie seine Gattin Maria Eleonora und sein neugeborener Sohn im Kindsbett sterben. In Zürich fehlt eine auf Kinder spezialisierte Klinik. Dr. Cramer sieht es an der Zeit, zu handeln. Im Andenken an seine Gattin spendete er die bedeutende Summe von Fr. 50'000 zur Errichtung eines Kinderspitals. Daraus entwickelt sich die Eleonorenstiftung, die heute noch Rechtsträgerin des Kinderspitals ist.
1874: Ein kleines Kinderspital wird eröffnet
Dank Spenden aus der Zürcher Bevölkerung kann bereits am 12. Januar 1874 das Kinderspital den Betrieb aufnehmen. Die Anfänge sind bescheiden.
Das Spital besitzt lediglich 30 Betten. Die Ärzte üben ihre Tätigkeit am Kinderspital nebenamtlich aus. Es gibt nur einen Assistenzarzt für das ganze Haus, und die Buchführung obliegt einer einzigen Haushälterin, die daneben auch noch Hand in der Pflege anlegt. Es gehört zum guten Ton im Zürcher Bürgertum, dass junge Töchter sich freiwillig im Kinderspital engagieren, wo sie mit den jungen Patientinnen und Patienten spielen. Die Atemwegsinfektionskrankheit «Diphterie» plagt die Gesellschaft und führt bei Kindern oft zum Tod, weshalb sie auch als «Würgeengel der Kinder» bezeichnet wird.
Langsam setzt sich in der Öffentlichkeit die Einsicht durch, dass kranke Kinder grundsätzlich andere Bedürfnisse als kranke Erwachsene haben. So argumentiert auch Prof. Oskar Wyss, der erste Leiter des Kinderspitals, als es darum geht, Spendengelder für das Kinderspital zu sammeln: «Erwachsene verlangen oft nur Pflege und weiter nichts, das Kind verlangt mehr Sorgfalt, Mühe, Aufopferung. Es bedarf geistiger und leiblicher Nahrung.»
1904: Hoher Andrang – Kinderspital wird vergrössert
Die Zahl der Patientinnen und Patienten verdreifacht sich.
Mit dem Vormarsch der Tuberkulose verschärft sich die Situation im Kinderspital – es braucht mehr Betten, mehr Schutz vor Infektionen – und mehr Mittel. Das Spital wird erweitert und bietet neu 136 Betten. Möglich machen das private finanzielle Zuwendungen aus der Zürcher Bevölkerung. Aber auch Naturalgaben sind stets willkommen. In den Jahresberichten werden diese minutiös aufgelistet: Osterhasen, Eier, eine Puppe, zwei Divans, ein Fauteuil, ein Rohrsessel, eine Etagère und so weiter.
1911: Das Kinderspital als universitäres Spital
Prof. Dr. Emil Feer übernimmt die Leitung des Kinderspitals, erstmals als Vollzeitstelle.
Er entwickelt das Spital zu einer wissenschaftlich geführten Institution weiter und damit zu einem Universitäts-Kinderspital. Prof. Dr. Feer stösst zahlreiche Reformen an. Er richtet etwa ein Forschungslabor ein und verbessert die Ausbildung für Kinderkrankenschwestern. Immer mehr Studenten interessieren sich für die Ausbildung zum Pädiater. Prof. Dr. Feer schreibt Lehrbücher, die im europäischen Raum zu Standartwerken werden.
Er ist auch ein Spezialist für Kinderernährung und legt deshalb grossen Wert auf eine leistungsfähige Milchküche. Bis 350 Flaschen Milch für 50–60 Säuglinge kann man in der neuen Küche täglich vorbereiten. Dank zwei Hausammen, die mit ihren Kindern im Spital wohnen, stehen ausserdem täglich drei bis vier Liter Muttermilch zur Verfügung. Da Prof. Dr. Feer Ziegenmilch als valablen Muttermilch-Ersatz sieht, leben in einem kleinen Stall auf dem Spitalgelände zwei Ziegen.
1929: Kinderspital erlangt Weltruhm
Auf Prof. Dr. Emil Feer folgt Prof. Guido Fanconi. Mit ihm erlebt das Kinderspital eine einzigartige Innovationsphase.
Er lässt ein neues Gebäude errichten, um dem Pflegepersonal und der Behandlung von infektiösen Kindern mehr Platz zu bieten. Das Kinderspital spezialisiert sich zunehmend auf komplexe Krankheitsbilder und schwerwiegende Verletzungen.
Prof. Fanconi setzt zudem einen Schwerpunkt auf Labormedizin: Die Bestimmung von Krankheiten und Mängeln erfolgt nicht mehr nur über rein äusserlich wahrnehmbare Symptome, sondern beispielsweise durch die Bestimmung von Blutwerten oder durch Gewebeuntersuchungen. Wie sein Vorgänger Emil Feer, so macht sich auch Guido Fanconi als Forscher einen bedeutenden Namen in der Fachwelt. Er entdeckt die zystische Pankreas-Fibrose sowie die nach ihm benannte Fanconi-Anämie.
1962–2017: Ein Familienspital
33 Jahre bleibt Prof. Guido Fanconi Chefarzt, Klinikleiter, Forscher und Lehrer am Kinderspital. Nach seinem Rücktritt verändert das Kinderspital weiterhin sein Gesicht, aber nicht seine Haltung.
Es bleibt von Engagement und Pioniergeist geprägt. Die Patientenzahl vervielfacht sich erneut. Ein neues Bettenhaus wird gebaut, bis anhin unbekannte Krankheitsbilder wie Aids treten ans Tageslicht, und die strikten Besuchsregelungen werden liberalisiert: Bisher durften Eltern ihre Kinder nur zweimal wöchentlich für wenige Stunden besuchen. Neu dürfen sie sich rundum die Uhr bei den kranken Kindern aufhalten. Das bedeutet für das ärztliche und pflegerische Fachpersonal eine grosse Veränderung, da die Kommunikation mit den Eltern und Angehörigen an Bedeutung gewinnt.
Dank international anerkannten Forschung, hochstehender Medizin und engagierten Spezialistinnen und Spezialisten entwickelt sich das Kinderspital zum grössten Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin in der Schweiz und zu einer führenden pädiatrischen Institution in Europa.
2018: Neubau nach 150 Jahren
Mittlerweile engagieren sich rund 2'300 Mitarbeitende für das Wohl von jährlich 100'000 jungen Patientinnen und Patienten vom ersten Lebenstag bis zum 18. Lebensjahr.
Die seit der 90er-Jahren engen Platzverhältnisse spitzen sich weiter zu. Das Kinderspital stösst an seine Kapazitätsgrenzen. Das Spitalareal ist geprägt von Provisorien und Anbauten.
Den 150. Geburtstag feiert das Kinderspital mit einem besonderen und lang ersehnten Ereignis: Im Mai 2018 erfolgt der Spatenstich für den zukunftsweisenden Neubau in Zürich-Lengg und kurz danach rollen auch schon die Bagger auf der grünen Wiese an. Hier entsteht in den nächsten Jahren ein kindgerechtes und zukunftsweisendes Kinderspital sowie ein innovatives Gebäude für Forschung und Lehre.
Heute: Mit Ihrer Hilfe – für die Zukunft unserer Kinder
In vielen Bereichen könnten die Unterschiede von heute zu den Anfangsjahren kaum grösser sein:
Ehemalige «Wärterinnen» sind heute hochspezialisierte Pflege-Expertinnen; Forschung, die mit rudimentären Mitteln in einem kleinen Labor in Zürich begann, erbringt unterdessen Pionierleistungen von internationaler Bedeutung. Die medizinischen Möglichkeiten scheinen heute grenzenlos. Ausserdem positioniert sich das Kinderspital Zürich ganz selbstverständlich als Familienspital.
Hingegen gibt es auch Entwicklungen, die das Kinderspital über viele Jahrzehnte begleitet haben. Wachsende Patientenzahlen führten immer wieder zu Engpässen und Platznot. Ebenso sah sich das Kinderspital mehrfach mit finanziellen Herausforderungen konfrontiert, konnte dabei aber auf grosszügige Unterstützung aus der Gesellschaft und Wirtschaft zählen. Diese haben mehrfach bewiesen, dass ihnen die medizinische Versorgung von Kindern am Herzen liegt.
Mit der Realisierung des Neubaus eröffnen sich dem Kinderspital neue Wege, um Pionierarbeit in der Medizin zu leisten, um innovative Therapien und Behandlungsmethoden zu entwickeln und damit kranken sowie verletzten Kindern in der Schweiz eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
Danke, dass Sie Ihrem Kinderspital zur Seite stehen.
150 Jahre Kispi – das Jubiläumsbuch
Der Historiker Matthias Wiesmann hat in seinem Buch «150 Jahre Kispi» die Entwicklung des Kinderspitals umfassend nachgezeichnet. Entstanden ist ein Stück Sozial- und Medizingeschichte, begleitet von eindrücklichen Bildern und unterhaltsamen Anekdoten.