Epilepsie Patient im Bett
19.09.2019
PatientInnen

Jonas‘ seltenes Lächeln

Seit sechs Jahren pflegen Erika und Fredi ihren schwerkranken Sohn. Seither befindet sich die Familie im Dauersturm und nimmt jeden Tag, wie er kommt. Kraft gibt ihnen Jonas‘ Lächeln – auch wenn sie nur ganz selten eines erhalten.

Jonas kam mit einem Gendefekt auf die Welt, den nur sieben weitere Menschen auf der Welt teilen. In der Forschung weiss man wenig über das Gen und noch weniger über die Erkrankung beim Menschen. Bei Jonas löst der Gendefekt häufige Epilepsieanfälle aus, stört also seine Hirnnervenzellen. Der sechsjährige Junge hat eine schwere Entwicklungsstörung und ist auf die Fürsorge seiner Eltern angewiesen, Tag und Nacht. Während sein Vater arbeitet, lässt ihn seine Mutter Erika nie aus den Augen.

Im bewegungslosen Körper

Es vergeht kein Tag ohne epileptische Anfälle, manchmal erlebt Jonas mehrere pro Minute. Mal zittert sein Körper dabei, ein andermal versteift er sich oder liegt schlaff da, seine Atmung setzt kurzzeitig aus, seine Augen drehen Kreise. Die Epilepsie hat dem Jungen zugesetzt, seine Nervenbahnen geschädigt. Jonas kann sich nicht bewegen, hat keine Kontrolle über seine Gliedmassen. «Er ist gefangen in einem bewegungslosen Körper», sagt Erika. Besonders tragisch ist, dass Jonas nicht wirklich selbständig schlucken kann. Bei einem starken Epilepsieanfall könnte er an seinem eigenen Speichel ersticken.

Mehrmals am Tag bewegt Erika gekonnt seine Gliedmassen, massiert seinen Körper, nimmt ihn auf ihre Arme, drückt an den richtigen Stellen kräftiger zu, um so sein «Sekret zu mobilisieren». Sie hilft ihm damit, seinen Speichel auszuhusten. Gelernt hat sie die Handgriffe von Jonas’ Physiotherapeutin und dem Pflegeteam des Kinderspitals. Ernährt wird der Junge über eine am Bauch angelegte Sonde, pro Mahlzeit vergehen dabei zwei Stunden.

Sein seltenes Lächeln

Ist Jonas unzufrieden, weint er. Andere Gefühlsregungen zeigt der Knabe hingegen selten. «Manchmal vergehen Jahre, bis er uns ein Lächeln schenkt», sagt Erika sichtlich traurig. Sie merkt zwar, dass er ihre Anwesenheit spürt, auch Veränderungen in der Umgebung bemerkt. Doch eine Reaktion bleibt aus, er liegt meist teilnahmslos da. «Es gibt kein Heilmittel. Wir verabreichen ihm täglich seine Medikamente, diese vermindern die Anzahl der Anfälle, doch die Epilepsie bleibt nie aus», sagt Erika.

Elternzimmer im Kinderspital

Kein Tag ist wie der andere. Jonas’ Zustand kann sich schnell verschlechtern – Erkältungen und Infekte können für ihn lebensbedrohlich sein. Deshalb muss er häufig und für mehrere Tage oder Wochen im Kinderspital hospitalisiert werden. Bei solch längeren Aufenthalten übernachten Erika und Fredi in Elternzimmern des Kinderspitals. Sie sparen sich damit den mühsamen Anfahrtsweg von eineinhalb Stunden zum Spital und sind immer in der Nähe ihres Sohnes.

Nötiger Schlaf zur Erholung

«Im Elternzimmer können wir besser schlafen, weil wir wissen, dass sich Spezialisten um Jonas kümmern», sagt Erika. So können sie etwas Energie tanken. Diese haben sie nötig: «Denn unser Kind wird das Spital nicht gesund verlassen, lediglich etwas gestärkt», erklärt Erika. Zuhause übernehmen dann die Eltern wieder die ganztägliche Betreuung, inklusive Nachteinsatz: «Jonas schläft schlecht, wacht mehrfach in der Nacht auf und weint. Wenn er mal zur Ruhe kommt, höre ich trotzdem im Halbschlaf seine schweren Atemzüge, die Geräusche des vielen Sekrets», erzählt Erika. Einmal in der Woche hilft die Kinderspitex über Nacht aus, damit Jonas‘ Eltern zur Ruhe kommen.

Eine Prognose für die Zukunft gibt es für Jonas nicht. «Wir nehmen jeden Tag, wie er kommt. Dabei steht Jonas im Zentrum, unser Alltag dreht sich um ihn», sagt Erika und ergänzt: «Dank ihm haben wir gelernt, Kleinigkeiten im Leben wertzuschätzen. So schnell bringt uns heute nichts mehr aus der Ruhe.»

Jonas gibt ihnen Kraft

Erika und Fredi erhalten von Familie und Freunden Unterstützung auf dem manchmal beschwerlichen Weg. Auch ein Team von Spezialisten des Kinderspitals und anderen Institutionen steht den Eltern schon seit vielen Jahren zur Seite: «Sie engagieren sich für Jonas, nehmen dabei unsere Anliegen ernst und beziehen uns in Entscheidungen mit ein.» Doch die meiste Kraft erhalten die Eltern von ihrem Sohn selbst. «Jonas zeigt uns auch ohne Lächeln, dass es sich lohnt, für ihn stark und positiv zu bleiben», sagt Erika. «Es ist ein Privileg, für ein so tolles und tapferes Kind kämpfen zu dürfen!»

©Bild von Herzensbilder.ch zur Verfügung gestellt.

Epilepsie Patient mit Eltern