Pedro rennt gegen alle Widrigkeiten an
Wie ein Blitz rennt Pedro durch den Gang, dem roten Ball hinterher. «Ich bin Lionel Messi!», ruft er strahlend. Die Orthesen, die er als äussere Stütze trägt, bemerkt er gar nicht mehr. Er trägt sie, seit er als Zweijähriger mit dem Laufen angefangen hat. Sie geben ihm sicheren Halt, den seine Beine und Füsse aufgrund einer Fehlbildung brauchen.
Eine Diagnose stellt alles auf den Kopf
Entdeckt wurde die Fehlbildung an Pedros Wirbelsäule durch einen Spezialisten, als Michele in der 25. Schwangerschaftswoche war. «Wir dachten, wir sind im falschen Film», erinnert sie sich. Er überwies sie sofort ans Kinderspital Zürich. Rasch war unseren Fachpersonen klar, dass der Fötus an Spina bifida litt, besser bekannt als offener Rücken. Aufgrund eines Defekts in der Wirbelsäule und des Rückenmarks bilden sich Nerven nicht vollständig aus und werden beschädigt. Wird es nicht operiert, führt es zu bleibenden Schäden und Mehrfachbehinderungen. Betroffene zeigen körperliche Einschränkungen wie schwache Beinmuskeln bis hin zur Lähmung, leiden an Störungen der Blase oder des Darms, sind kognitiv beeinträchtigt oder haben einen Wasserkopf.
«Die Diagnose hat uns völlig aus der Bahn geworfen», erzählt die zweifache Mutter. Michele und ihr Ehemann Stefan hatten ein Wochenende Zeit, sich wieder zu fangen und eine Entscheidung zu treffen. «Eine pränatale Operation könnte die Lebensqualität unseres Sohnes verbessern. Für uns war klar, dass wir diesen Weg gehen wollen, wenn der Eingriff in unserem Fall überhaupt möglich war.» Am Tag darauf erhielten sie den positiven Bescheid. «Das war eine grosse Erleichterung», erinnern sich die beiden. Nur eine Woche später führte ein hochspezialisiertes, interdisziplinäres Team des Universitätsspitals und des Kinderspitals Zürich den Eingriff am Mutterleib durch. Dabei wurde die offene Stelle am Rücken des Fötus verschlossen. Diese innovative fetale Chirurgie ist hochkomplex, das Kinderspital Zürich ist eines der weltweit führenden Kompetenzzentren.
Michele blieb drei Wochen zur Beobachtung im Spital, um die Risiken etwa einer Frühgeburt auszuschliessen. «Kurz vor Weihnachten durfte ich nach Hause. Das war ein schönes Geschenk.» Im Februar kam Pedro wie geplant und ohne Zwischenfälle zur Welt.
Eltern von Pedro
Bestmögliche Qualität erreichen
Vier Jahre später hüpft Pedro während einer Kontrolle hoch und runter, setzt sich auf das Untersuchungsbett. «Er hat sich toll entwickelt», stellt Dr. med. Beth Padden fest, Co-Leiterin des Spina Bifida Zentrums am Kinderspital. Sie beobachtet ihn und seine Bewegungen genau. «Seine Beinmuskulatur ist stark», bemerkt die Ärztin, während Pedro ein Bein so fest er kann gegen ihre Hand drückt. Der heute Vierjährige ist aufgeweckt und strahlt vor Energie und Entdeckergeist. Die Unterschenkelorthesen, die von den Zehenspitzen bis zu den Knien reichen, geben ihm Halt beim Gehen. Er braucht diese Unterstützung. «Spätfolgen von Spina bifida können dank eines vorgeburtlichen Eingriffs reduziert werden», erklärt Beth Padden, «aber die Fehlbildung ist nicht heilbar.»
Beth Padden zählt zusammen mit Alexandra Wattinger, die Pedro seit Geburt als Pflegeexpertin betreut, sowie zahlreichen Fachpersonen aus Neonatologie, Rehabilitation, Orthopädie, Urologie, Viszeralchirurgie, Neurochirurgie und weiteren Spezialbereichen zum interdisziplinären Team im Kinderspital. Sie behandeln Patientinnen und Patienten mit Spina bifida umfassend und interprofessionell. Dadurch erkennen sie allfällige Probleme frühzeitig und können entsprechende Therapien einleiten, um den Kindern den besten Start ins Leben zu ermöglichen.
Bei Pedro zeigen sich die Einschränkungen der Fehlbildung insbesondere in einer schwächeren Beinmuskulatur sowie einer Fehlfunktion der Blase. Im Verlauf des Wachstums können weitere Veränderungen und Störungen auftreten. Pedro ist daher weiterhin auf regelmässige Untersuchungen durch unsere Profis und lebenslang auf eine medizinische Versorgung angewiesen.
Eltern von Pedro
Tapfer meistert Pedro alltägliche Hürden
Mit seinem älteren Bruder spielt er gerne Fussball und schaut ihm vieles ab. Das Gleichgewicht halten ist für den aktiven Pedro aber nicht immer einfach, insbesondere auf unebenem Boden. Auch Treppen steigen ist eine Herausforderung, bei der Rutschbahn etwa braucht der Vierjährige noch Hilfe. «Es ist nie klar, wie weit Pedro laufen kann, bevor er müde wird. Aber es geht immer besser», sagt der Vater. «Wir nehmen es, wie es kommt.» Seine Ausdauer im Gehen ist nicht mit gesunden Gleichaltrigen vergleichbar.
«Unser Junge macht es wirklich gut. Er kennt hier im Kinderspital mittlerweile die Fachpersonen und sie ihn. Sie sind ein super Team! Sie nehmen sich Zeit für uns, gehen auf Pedro ein, versprühen Wärme, haben immer viel Geduld und Verständnis und spielen auch mal mit ihm. Das hilft sehr, auch bei Untersuchungen», sagt Michele. «Es gibt uns Vertrauen.»
Pedro hat schon einiges hinter sich. Dank einer innovativen Operation und enger Begleitung hat der Junge die Chance auf ein möglichst normales Leben erhalten. Seine Familie und das Kinderspital Zürich begleiten ihn auf seinem Weg.