Epilepsie: Kann eine Gehirnoperation Zoë heilen?
«Es zerriss mir das Herz, meine Tochter so zu sehen», sagt Christine. «Die epileptischen Anfälle machten ihr Leben zur Qual. Und wir konnten ihr nicht helfen.» Christine und ihr Ehemann Remo waren am Ende ihrer Kräfte. Seit Monaten kämpften sie ununterbrochen um die Gesundheit ihrer kleinen Tochter Zoë, deren Zustand sich trotz Therapien verschlechterte.
Im Mai 2019 hatte nichts darauf hingedeutet: Zoë war ein aufgewecktes Mädchen. Sie turnte in der Wohnung herum, plapperte ihren Eltern nach, malte farbige Formen auf Papier. Drei Geburtstagskerzen hielt ihre Mutter Christine in der Schublade bereit. Doch bevor sie diese auspacken konnte, geriet die Familie in einen tiefen Strudel aus Angst und Sorgen. Von einem Tag auf den anderen stellten die Eltern entsetzt fest, dass Zoë eine Art Aussetzer durchlebte: Sie verdrehte dabei die Augen, zog die Arme zum Körper, wirkte abwesend. Das erste Mal dauerte es 10 Sekunden. Beim zweiten Mal 20. Dann wieder 10. Oder auch mal 30. Nie länger als eine Minute. Und immer tat Zoë danach so, als wäre nichts gewesen.
Eine Odyssee bis zur Diagnose
Die erste Kinderärztin schickte die Familie mit beschwichtigenden Worten nach Hause. Die Eltern aber zerbrachen sich den Kopf darüber, nahmen mit dem Smartphone die kurzen Anfälle ihrer Tochter auf. Sie googelten. Und sie suchten ein grosses Spital in der Nähe auf. Doch hier liess man sich Zeit mit den Abklärungen, Tage und Wochen vergingen. «Die Anfälle häuften sich», erinnert sich Christine zurück. Gleich fünf bis zehn hintereinander, selbst nachts. Das Mädchen verlor an Kraft, musste häufig erbrechen, war müde und antriebslos.
In einer warmen, schlaflosen Sommernacht streichelte Christine ihrer Tochter das Füsschen, während diese von einem erneuten Anfall geplagt wurde. Dann griff die Mutter verzweifelt zum Telefonhörer. Wenige Stunden später fand sich die Familie auf der Notfallstation des Kinderspitals Zürich wieder, wo die Ärztin den erschöpften Eltern zuhörte, sich die Videoclips auf Christines Handy anschaute und dann die Vermutung bestätigte: Zoë leidet an Epilepsie.
Medikamente schlagen nicht an
Um die Diagnose zu präzisieren, standen Zoë zahlreiche Tage im Kinderspital bevor. Die Spezialistinnen und Spezialisten entnahmen ihr Blut, zeichneten mithilfe von Elektroden die Gehirnaktivitäten auf, untersuchten mit dem Magnetresonanztomografen verschiedene Bereiche ihres Gehirns und führten Tests durch, um ihren Entwicklungsstand zu prüfen.
Zoë bekam erste Medikamente gegen die Epilepsie verschrieben. «Die Epilepsie-Expertinnen Prof. Georgia Ramantani und Dr. Sarah Bürki erklärten uns in mehreren Gesprächen, dass ein steiniger Weg folgen könnte», sagt Christine; was sich dann leider bewahrheitete. Die ersten Medikamente wirkten nicht, die nächsten lösten starke Nebenwirkungen aus. Zeitweise musste das Mädchen vier verschiedene einnehmen. Manchmal verschwanden die epileptischen Anfälle kurzzeitig. Die Familie schöpfte Hoffnung, um beim nächsten Krampf wieder enttäuscht zu werden.
«Für unsere Tochter kämpfen wir immer weiter»
Warum musste es Zoë treffen? Haben wir etwas falsch gemacht? Sind wir schuld daran? Viele Fragen. Christines Gedankenwelt drehte sich ununterbrochen um ihre Tochter. Remo litt mit, obschon er als praktizierender Facharzt die Krankheit rationaler beurteilen konnte. Doch auch bei ihm schwand mit jeder gescheiterten Therapie ein Stück Hoffnung. «Ans Aufgeben dachten wir aber nie», sagen die Eltern. «Wir halfen uns gegenseitig aus Krisen heraus, rafften uns immer wieder auf, um unserer Tochter beizustehen.»
Im Februar 2020 dann tat sich unverhofft eine neue Tür auf: «Prof. Georgia Ramantani erklärte uns, dass eine moderne Gehirnoperation Zoë helfen könnte.» Das Kinderspital Zürich nimmt bei diesem neurochirurgischen Eingriff eine Vorreiterrolle ein.
Neue Lebensqualität nach Gehirnoperation
Eine Operation am Gehirn? Christine hatte Zweifel und Ängste. Zu viel hatte die Familie schon durchgemacht. Das Ehepaar fragte nochmals kritisch nach, holte Zweitmeinungen ein. «Die Spezialistinnen und Spezialisten am Kinderspital waren unglaublich geduldig. Die offenen Gespräche überzeugten uns letztlich von der Operation.» Diese dauerte sechs Stunden. «Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an», erinnert sich Christine an die Wartezeit zurück, die sie zusammen mit Remo am Zürichsee, gedanklich aber bei ihrer Tochter verbrachte. Und dann klingelte ihr Handy. «Beim ersten Mal war es eine Pflegefachfrau direkt aus dem OP-Saal. Dann der Anästhesist. Danach Prof. Ramantani. Und schliesslich der Chirurg, Prof. Krayenbühl.» Sie alle riefen an, um zu versichern, dass die Operation erfolgreich verlaufen war.
Nach dem komplexen chirurgischen Eingriff erholte sich Zoë innert weniger Tage. Christine aber brauchte über ein Jahr, bis sie das Vertrauen fasste, dass ihre Tochter endlich geheilt war. Zoë hatte keinen einzigen epileptischen Anfall mehr. Das tapfere Mädchen ist heute sechs Jahre alt. Sie geht in den Kindergarten, turnt, schwimmt, malt, kuschelt mit ihren Katzen und kann sich kaum mehr an die Epilepsie erinnern.
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