Cerebralparese: Eigenständiger dank Therapien
«Er spielt gerne Lego, hört Geschichten, schaut sich Bücher an und mag es mit dem Ball zu spielen.» Wenn Rainer von seinem Knaben Nevio spricht, klingt es als wäre er ein Kind wie jedes andere. Der kleine Junge ist fünf Jahre alt, besucht den Regelkindergarten und verbringt gerne Zeit mit seinen Freundinnen und Freunden. Sein bisheriges Leben ist jedoch gekennzeichnet von prägenden Ereignissen.
Folgenreiche Schwangerschaft
Die Schwangerschaft von Mutter Stefanie verlief normal – bis sie zwei Monate vor geplantem Geburtstermin plötzlich eine schwere Schwangerschaftsvergiftung erlitt. «Unser Kind musste dann in den nächsten 24 Stunden geboren werden, weil es sonst lebensbedrohlich geworden wäre für Nevio und mich», erinnert sie sich. Die erste Zeit nach der Geburt sei komplikationslos verlaufen. Doch dann entdeckten die Ärztinnen und Ärzte bei einer Routineuntersuchung in der Neonatologie kleine innere Blutungen im Gehirn. Zudem sahen sie wenige Wochen nach der Geburt schwarze Flecken im Schädelultraschall – eine sogenannte periventrikuläre Leukomalazie (PVL).
Die PVL, eine Schädigung des Gehirns, resultierte schliesslich in einer Cerebralparese (CP) bei dem Kleinen. Bei der CP handelt es sich um eine Verletzung der für die sensomotorische Steuerung verantwortlichen Areale im Gehirn. Charakteristisch für die CP sind etwa Beweglichkeitseinschränkungen, unkontrollierte Bewegungen oder Gelenkverformungen. Die Diagnose sei überraschend gewesen, sagt der Vater, «aber wir sind in die Situation reingewachsen». Bei Nevio äussere sich die CP dadurch, dass er gewisse Bewegungen wie etwa sich zu drehen oder vom Liegen in den Sitz zu gelangen, langsamer lernt. Auch braucht er mehr Übung als Gleichaltrige. Doch es gehe, auch Dank Therapien, voran bei ihm, «Stück für Stück».
Vom Kinderspital in die Kinder-Reha
Seit seiner Geburt betreut das Basler Universitäts-Kinderspital Nevio. Bei einer Kontrolluntersuchung letztes Jahr fiel der Orthopädin die Fehlstellung seiner Hüfte auf. Sie habe eine Operation mit anschliessendem Rehaaufenthalt empfohlen, erzählt Stefanie. So folgte die Operation. Im Februar dieses Jahres startete Nevio seinen dreimonatigen Aufenthalt in der Kinder-Reha Schweiz. Vor der Operation konnte der Junge, laut seiner behandelnden Physiotherapeutin Anke Buchmann, mit leichter Unterstützung am Becken stehen. Ziel seines Rehaaufenthalts war, dass Nevio wieder mit Hilfe stehen und frei sitzen kann sowie dass er alltagsrelevante Bewegungsübergänge lernt. Zudem sollte er mit seinem Gehwagen und Unterstützung von einer Person wieder ein paar Schritte auslösen können.
Um die Ziele zu erreichen absolvierte Nevio ein umfangreiches Programm bestehend aus Physio-, Ergo-, Hippo- und Sporttherapie, schwimmen, roboterunterstützer Therapie für die obere Extremität und Gangtraining mit dem Lokomat. Die Therapien verfolgen einen spielerischen Ansatz, erklärt Buchmann: «In der Physiotherapie übten wir Alltagsbewegungen in Rollenspielen, z. B. dass Nevio im Rettungsdienst tätig war oder ein Polizeieinsatz anstand.» Schliesslich konnte er planmässig austreten. Vor seinem Austritt bereiteten Reha-Mitarbeitende die Eltern auf die Rückkehr vor. So erklärten sie ihnen, wie sie Positionen wie sitzen, stehen oder gehen bei ihrem Kind fördern können.
Der Mensch im Fokus
In der Reha sei es nicht nur um die Behandlung einzelner Beschwerden gegangen, sagen Nevios Eltern, «sondern um den gesamten Menschen». Trotz der intensiven Zeit verbinden sie viele positive Erinnerungen mit der Kinder-Reha Schweiz. Zudem loben sie den Einsatz der Mitarbeitenden: «Sie machen das als Berufung, nicht als Beruf.», sagt der Vater. Die Mutter schätzte den Einbezug der Eltern: «Auch wir sind Teil des Heilungsprozesses. Wir wurden dort als Familie wahrgenommen. Ging es mir nicht gut, haben sie mich sofort entlastet und für mich gesorgt. Da kann ich nur Chapeau sagen.» Neben dem Engagement der Reha-Mitarbeitenden schätzten die Eltern auch die Entlastung durch engagierte Freiwillige der Aladdin-Stiftung.
Mittlerweile ist Nevio wieder zuhause. Sein Alltag hat sich eingependelt. Der Fünfjährige besucht wieder den Regelkindergarten. Er absolviert weiter Therapien wie etwa Hippo- und Ergotherapie und Lokomat-Training. Auch hat er Spass daran, Zeit mit anderen zu verbringen. Ob mit anderen Kindergartenkindern, Jugendlichen im Tagesheim oder dem Nachbarsjungen: «Nevio ist trotz oder aber mit seiner Cerabralparese sozial gut integriert», resümieren die Eltern.