Pionierarbeit am Kinderspital: Vasileios lebt mit einem Kunstherz
Text: Miriam Knecht, Fotos: Barbora Prekopova
Die kleine schwarze Umhängetasche hat Vasileios immer dabei. Darin hat er zwei Batterien, angeschlossen an eine Steuereinheit. Von dieser führt ein Kabel direkt in seinen Bauch und zu einer Pumpe, die in sein Herz implantiert wurde. Das HeartMate 3 ermöglicht dem 15-Jährigen ein weitgehend normales Leben: Er geht zur Schule, trifft Freunde, hat auch schon Basketball gespielt. «Nur Schwimmen und Duschen gehen nicht. Das ist mega nervig!», sagt er. Und natürlich dürfe er nie vergessen, die Batterien täglich aufzuladen. Aber all das nimmt er gerne in Kauf, denn: «Es geht mir so gut wie vorher!»
14 Jahre blieb der Herzfehler unentdeckt
«Vorher» ist der Zeitraum bis zum Herbst vor einem Jahr. Bis da war Vasileios ein ganz normaler, gesunder Teenager. Dann geht es Schlag auf Schlag: Nach den Schulferien bekommt er plötzlich Bauchschmerzen und Atemnot, mag nicht mehr essen. Der Hausarzt überweist ihn ans Kinderspital Zürich. Dort wird klar: Vasileios leidet an einer sogenannten Kardiomyopathie, einem angeborenen Herzfehler. Sein Herzmuskel ist deutlich erweitert und kann deshalb das Blut nur schlecht weiterpumpen. «Dieser Defekt kann lange unentdeckt bleiben», erklärt Martin Schweiger vom Team der Herzchirurgie, welches Vasileios operiert hat. «Oftmals zeigen sich die Beschwerden erst im Teenager- oder jungen Erwachsenenalter» Vasileios geht es immer schlechter, es muss schnell gehandelt werden. Sein Herz braucht eine künstliche Unterstützung. Bald fällt der Entscheid auf den neuartigen HeartMate 3.
Pionier- und Teamarbeit mit grossem Erfolg
Allerdings: Das Kispi hatte bisher noch keine Erfahrung mit diesem Kunstherzsystem. «Deshalb musste das gesamte involvierte Personal erst einmal geschult werden, damit alle wissen, was in einem Notfall zu tun ist. Hier hat die Kardiotechnik mit unserem interdisziplinären Schulungsteam tolle Arbeit geleistet», erzählt Martin Schweiger. Im letzten Dezember dann wird bei Vasileios das HeartMate 3 implantiert. Zwei Wochen lang befindet er sich im künstlichen Koma, muss beatmet werden. Das hat Folgen: Nach dem Aufwachen habe er Vieles erst wieder neu lernen müssen, erzählt der schlaksige Junge mit den kurzen dunklen Haaren und der Brille. «Gehen, essen, reden – meine Muskeln haben nicht mehr richtig funktioniert.» Doch dank Pflege, Physiotherapie und Ergotherapie erholt er sich schnell, und nach insgesamt drei Monaten am Kispi wird er entlassen. Damit ist er der erste nicht-erwachsene Patient in der Schweiz, der mit dem HeartMate 3 nach Hause gehen konnte.
Der HeartMate 3 ist keine Lösung für immer
Martin Schweiger freut das: «Es ist ein riesiger Erfolg für alle – die Teams am Kispi und natürlich für Vasi und seine Familie!» Vater Georgios nickt und bestätigt seine Erleichterung: Er und seine Frau hätten ihren Sohn wieder. «Er ist jung, er soll sein Leben leben können. Wir sind allen am Kinderspital wahnsinnig dankbar, sie haben uns super betreut!» Jetzt müssten sie einfach positiv bleiben – und hoffen, dass der nächste Schritt bald möglich sei. Denn Vasileios braucht ein neues Herz und wartet derzeit auf ein Spenderorgan. Ein Kunstherzsystem ist leider keine Lösung für immer. Es könne zu Komplikationen kommen wie Infektionen oder Blutgerinnsel, erklärt Martin Schweiger. «Obwohl die Risiken beim HeartMate 3 deutlich geringer sind als bei anderen Systemen». Um ihnen möglichst vorzubeugen, nimmt Vasileios täglich mehrere Medikamente ein, darunter Blutverdünner. Alle ein bis zwei Wochen kommt er zur Kontrolle ans Kispi.
Wie lange das Warten auf das neue Herz dauern wird, weiss niemand. Aber Vasileios und seine Familie sind zuversichtlich. Der 15-Jährige betont, wie glücklich er sei, dass er sich wieder normal und frei bewegen könne, «auch wenn die Ferien in Griechenland dieses Jahr leider ausfallen müssen». Die Transplantation könnte ja jederzeit stattfinden, Vasileios muss also in der Nähe bleiben.
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