Kindheit als Gesundheitsfaktor – Flavia Wehrle gewinnt Förderungsprofessur
Flavia, erst einmal: Herzliche Gratulation! Du bist die dritte Forscherin am Kinderspital Zürich, die mit einem SNF Starting Grant zur Förderprofessorin wird.
Vielen Dank! Ich freue mich sehr auf diese neue Herausforderung.
Kannst du kurz zusammenfassen, worum es in deinem Projekt «An Integrative Lifespan Approach to Health and Development» geht?
Der demographische Wandel in der Bevölkerung ist eine der grossen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Die Menschen werden immer älter: Die WHO schätzt, dass bis 2050 weltweit mehr als 2 Milliarden Menschen älter als 60 Jahre sein werden – das entspricht einer Verdoppelung gegenüber 2020. Damit möglichst viele Menschen gesund alt werden, ist es wichtig, die Faktoren zu kennen, die zu guter Gesundheit bis ins hohe Alter führen. Bisher hat sich der grösste Teil der Forschung nur auf das Erwachsenenalter fokussiert. Mittlerweile geht man aber davon aus, dass Kindheit und Jugendzeit einen grossen Einfluss haben. In meinem Projekt möchte ich besser verstehen, welche Rolle diese frühen Lebensphasen für die Gesundheit und das Wohlbefinden bis ins Alter spielen.
Wie gehst du dabei vor?
Ich habe die Möglichkeit, mit verschiedenen Kispi-Kohortenstudien zu arbeiten, etwa den Zürcher Longitudinalstudien, die bereits seit 1954 laufen: Fast 1´000 Personen werden seit ihrer Geburt begleitet und ihre Entwicklung akribisch dokumentiert. Im Rahmen des Projekts führe ich diese Studien nun weiter: Das heisst, wir laden die Teilnehmenden zu erneuten Untersuchungen ihrer physischen, psychischen, kognitiven, motorischen und sozialen Gesundheit ein. Ich möchte verstehen, wie die Entwicklung während der Kindheit und Jugend mit der Gesundheit im Alter und mit Alterungsprozessen zusammenhängt. Ich hoffe, das Projekt hilft dabei, zu sensibilisieren, dass Gesundheit und Entwicklung Prozesse sind, die sich übers ganze Leben erstrecken (Lifespan), und dass ganz verschiedene Bereiche in komplexer Weise zusammenhängen und deshalb mitberücksichtigt werden müssen (Integrative Approach).
Der Starting Grant ist mit einem Beitrag von rund 1,8 Millionen Franken und einer Förderungsprofessur verbunden: Inwiefern verändert das deine Arbeit?
Einerseits werde ich so Fakultätsmitglied an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Andererseits kann ich eine eigene Forschungsgruppe gründen und das Projekt während fünf Jahren mit mehreren PhD-Studierenden, Postdocs und wissenschaftlichen Mitarbeitenden vorantreiben. Ich übernehme zudem in der universitären Lehre bestimmte Aufgaben und betreue Masterstudierende, Dissertierende und PhD-Studierende der Medizin und Psychologie.
Ein Blick in die Zukunft: Was möchtest du als Forscherin noch erreichen?
Die Forschung ist meine Leidenschaft. Jetzt habe ich die Möglichkeit, meinem Interesse an der Entwicklung über die Lebensspanne auch in Zukunft nachzugehen, das ist eine einmalige Gelegenheit und ein grosses Glück für mich. Mit fundierten Daten und neuen Erkenntnissen möchte ich dazu beitragen, dass ein integrativer Blick auf Entwicklung und Gesundheit von Geburt bis ins hohe Alter möglich wird, der dazu beiträgt, dass möglichst viele Menschen künftig gesund alt werden können.
Einblick in die Zürcher Longitudinalstudien
Ein Film gibt Einblick in die Zürcher Longitudinalstudien.
Video: Mirko Bischofberger
Entwicklungspädiatrie
Die Forschung der Abteilung Entwicklungspädiatrie befasst sich wissenschaftlich mit unterschiedlichen Bereichen der kindlichen Entwicklung. Das Ziel ist, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Entwicklungsverläufen zwischen Kindern im Allgemeinen sowie zwischen gesunden Kindern und Kindern mit einem Risiko für Entwicklungsprobleme besser zu verstehen.